Düsseldorf, 11. Juni 2024. „Der Synodale Prozess in Deutschland muss beherzt weitergeführt werden!“ fordern mehr als zwölf katholische Verbände, Reforminitiativen und Betroffenengruppen vor der kommenden Sitzung des Synodalen Ausschusses am 14./15. Juni 2024 in Mainz. Sie erinnern erneut daran, dass die deutschen Bischöfe das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nach der Veröffentlichung der MHG-Studie – der Missbrauchsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) – zur Mitwirkung am Synodalen Weg in gleichberechtigter Verantwortung eingeladen haben. Dies darf nicht durch immer neue Anweisungen aus Rom oder geforderte Kompromisse der Bischöfe verzögert oder verwässert werden.
Relevanz des Katholikentags
Der 103. Deutsche Katholikentag in Erfurt hat gezeigt, dass Kirche auch heute relevant sein kann. Dazu ist es jedoch unabdingbar, dass die Bischöfe gemeinsam mit dem ZdK die selbstverursachten Hemmnisse beseitigen, die der jahrzehntelange Reformstau und die immer noch nicht in allen Diözesen aufgearbeitete Missbrauchskrise verursacht haben.
Erfurt war ein wichtiger Ort, um Verbundenheit zu spüren und auch zu erkennen, was den Menschen in Deutschland fehlen würde, wenn die römisch-katholische Kirche weiter an Glaubwürdigkeit verliert. Deshalb braucht es jetzt alle Aufmerksamkeit und Anstrengung, um die von Papst Franziskus propagierte Synodalität wirklich zu verankern. Die problematischen kirchlichen Strukturen, die zu Missbrauch und Vertrauensverlust geführt haben, müssen dauerhaft korrigiert werden.
Im Ringen um die Zukunft der Kirche sollten pastorale und strukturelle Fragen nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden. So wichtig die von Papst Franziskus vorgegebene Grundlinie der Evangelisierung ist: eine wirkliche Aufarbeitung sexualisierter und spiritueller Gewalt ist ein wesentliches Element einer Evangelisierung! Das Evangelium nimmt Partei für die Entrechteten, Geschundenen und Verwundeten. Ohne diese Perspektive läuft jeder Versuch einer Evangelisierung ins Leere.
Synodaler Weg in Deutschland kein Sonderweg
Die von Papst Franziskus 2020 einberufene Weltsynode und die Generalversammlung im Oktober 2023 in Rom, die in diesem Oktober fortgeführt wird, haben gezeigt, dass der Synodale Weg in Deutschland kein Sonderweg war, sondern wichtige Vorarbeit für die Weltsynode geleistet hat. Dies wurde von Teilnehmenden aus aller Welt anerkannt und dies erfahren wir auch innerhalb unserer internationalen Vernetzung. Denn die Verbrechen und Skandale, die zu diesem Synodalen Weg geführt haben, werden in immer mehr Ortskirchen in aller Welt offenbar.
Notwendig ist die Bekämpfung der systemischen Ursachen von Missbrauch und Vertuschung, die die Kirche weltweit in eine Glaubwürdigkeitskrise geführt haben. Zudem geht es darum, die katholische Kirche in den jeweiligen Kulturen zukunftsfähig zu machen. Synodales Agieren ist kein Selbstzweck, sondern zielt auf eine neue, veränderte kirchliche Zukunft. Ein wichtiges Kriterium für Synodalität ist, den Prozess ergebnisoffen zu gestalten.
Stärkung der nationalen Bischofskonferenzen
Eine Schlüsselfrage für die Zukunft wird sein, welche Rolle künftig die Bischöfe und welche die Vertretungen des Kirchenvolkes in der katholischen Kirche spielen werden. Echte Teilhabe bedeutet: nicht nur beraten, sondern auch mitentscheiden! Die Ermutigung von Papst Franziskus, prophetisch Kirche zu sein, sollten insbesondere hier aufgegriffen werden.
Der 40-seitige Synthese-Bericht der Synodenversammlung im Oktober 2023 in Rom, der in allen Punkten mit großer Mehrheit beschlossen wurde, befasst sich intensiv mit Mitverantwortungsgremien, die auf rechtlicher Ebene funktionsfähig zu gestalten sind. Auch über Fragen der Lehre sollen Bischofskonferenzen in Gremien zusammen mit nicht geweihten Männern und Frauen entscheiden können (vgl. 12, 18 und 19g Synthese-Bericht). Nicht binäre Personen, die im Denken und in der Sprache des Vatikans leider noch nicht vorkommen, sollten in diesen Prozess ebenfalls einbezogen werden.
Die deutschen Bischöfe sollten von dieser Regelung der Weltsynode mutig Gebrauch machen und schon jetzt die ihnen kirchenrechtlich offenstehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehören beispielsweise die Übertragung der Gemeindeleitung an Lai*innen, die Tauferlaubnis, die Übertragung des Predigtamts auf Lai*innen, insbesondere auf Frauen und andere nicht männliche Personen sowie der Einsatz dispensierter, zumeist wegen des Zölibats aus dem Dienst geschiedener Priester in der Pastoral (Beschluss des Synodalen Weges: Der Zölibat der Priester, Votum 7).
Außerdem muss schon heute darauf hingearbeitet werden, dass diese Punkte in der Generalversammlung 2024 vertieft, konkretisiert und förmlich beschlossen werden. Dies erfordert die Fortführung des Synodalen Prozesses in Deutschland, aber auch die internationale Vernetzung vor allem im europäischen Raum.
Vatikan muss Dialogbereitschaft zeigen
Nach dem irritierenden Brief von drei Kardinälen aus Rom unmittelbar vor der Frühjahrsvollversammlung der DBK im Februar 2024 in Augsburg, in dem die Bischöfe aufgefordert wurden, über Satzung und Geschäftsordnung des Synodalen Ausschusses nicht abzustimmen, fand am 22. März 2024 ein vertrauensvolles Gespräch von sechs deutschen Bischöfen im Vatikan statt, dem weitere Treffen zu einzelnen Themen folgen sollen. Diese Gespräche sollten aber aus Sicht der katholischen Verbände, Reforminitiativen und Betroffenengruppen nicht nur mit Bischöfen, sondern endlich auch mit dem gesamten Präsidium des Synodalen Ausschusses und weiteren Expert*innen erfolgen.
Der Vatikan sollte zudem endlich die deutsche wissenschaftliche Theologie an deutschen Universitäten wertschätzen, denn der stetige Austausch mit anderen Wissenschaften ist nötig, um auch unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts das Evangelium verkünden zu können.
Hintergrund zum Synodalen Ausschuss
Dem Synodalen Ausschuss gehören nominell die 27 Ortsbischöfe, 27 Vertreter*innen des ZdK aus der Synodalversammlung und weitere 20 von der Vollversammlung des Synodalen Wegs gewählte Mitglieder an. Eine Minderheit von Bischöfen hat entschieden, sich an dem synodalen Prozess in Deutschland nicht weiter zu beteiligen. Damit fügen Sie den Bistümern, für die sie Verantwortung tragen, sowie der gesamten katholischen Kirche in Deutschland einen großen Schaden zu.
Während die fünf Plenarversammlungen des Synodalen Weges bis zum März 2023 einer Verständigung über inhaltliche Fragen dienten, stehen im Synodalen Ausschuss derzeit prozedurale Fragen im Fokus. Seine Hauptaufgabe ist die Vorbereitung eines Synodalen Rats bis spätestens März 2026. Erklärtes Ziel ist es, die Gespräche über die Schlüsselthemen Macht und Gewaltenteilung, Dienste und Ämter für Frauen, Sexualmoral und priesterliche Lebensform fortzusetzen. Dazu hat die Gemeinsame Konferenz von DBK und ZdK Arbeitsgruppen eingerichtet.